Prof. Marcelo Lobo Heldwein erwarb 1997 und 1999 den Bachelor- und Master-Abschluss in Elektrotechnik an der Universität Santa Catarina (UFSC) in Florianópolis/Brasilien, und 2007 den Doktortitel an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich/Schweiz. Zu seinen Forschungsinteressen gehören Leistungselektronik, neuartige Stromverteilungstechnologien und elektromagnetische Verträglichkeit. Die wissenschaftlichen Interessen des Lehrstuhls liegen in der Topologie, Modellierung, Entwicklung und Steuerung von Stromrichtern.
ED: Wie sind Sie zu dem geworden, der Sie sind?
Ich bin in Brasilien geboren und aufgewachsen und habe dort bis zu meinem Master-Abschluss studiert. Mein Vater war Architekt, meine Mutter war Pädagogin, die Lehrer:innen ausbildete. Zuhause hatten wir eine Bibliothek mit Büchern über Bildung, Architektur und Philosophie, also habe ich viel gelesen. Ich fand die Literatur und die kreative Arbeit sehr interessant, und konnte mir auch vorstellen, Lehrer zu werden. Meine Eltern und auch meine Großeltern haben mich also in dieser Hinsicht sehr beeinflusst.
Im neunten Schuljahr nahmen mich meine Eltern mit auf eine Tour durch die Stadt, um die weiterführenden Schulen kennenzulernen. Sie waren alle recht unterschiedlich: Es gab kirchliche Schulen, öffentliche Schulen und eine technische Schule. Das Umfeld dort gefiel mir sehr gut, also beschloss ich, mich zu bewerben, und wurde angenommen. Im zweiten Jahr mussten sich die Schülerinnen und Schüler zwischen Elektrizität, Bauwesen, Mechanik oder mechanischer Elektronik entscheiden - und ich entschied mich für die Elektrizität. Nach der Schule studierte ich an der Universität Elektrotechnik, was zum einen Zufall war, zum anderen auf meinen elektronischen Hobbys beruhte. Ich habe zu Hause immer gerne Sachen gebaut oder Dinge zerlegt. Auch das hat auch meine späteren Entscheidungen geprägt.
Nach meinem Master-Abschluss blieb ich an einem Institut in Florianópolis im Süden Brasiliens, das mit der Universität verbunden war. Ich war zwar immer noch kein Doktorand, aber das half mir, herauszufinden, dass ich in die Wissenschaft gehen wollte. Dann arbeitete ich für ein Technologieunternehmen und zog nach São Paulo/Brasilien, und nach Stockholm/Schweden. Das Projekt, an dem ich arbeitete, hatte bereits mit Ladegeräten zu tun, allerdings für Telekommunikationssysteme. In den Jahren 2001/2002 gab es eine Krise in der Telekommunikationsbranche. Mein Arbeitgeber beschloss, die Forschungs- und Entwicklungszentren in der ganzen Welt zu schließen und diese Aktivitäten nach China zu verlagern. Ich hatte vor, mich von diesem Unternehmen zu trennen und in China zu arbeiten. Auf dem Weg in den Urlaub nach Brasilien blieb ich zwei Tage in Zürich und lernte Professor Johann Walter Kolar kennen, der mir eine Stelle in seinem Labor anbot. Mitten in meinem Urlaub musste ich mich entscheiden zwischen einer Karriere in China oder einer Promotion in der Schweiz. Dieser Zufall führte mich also zu meinem früheren Plan, eines Tages zu lehren.
ED: Was wird Ihr erstes Forschungsprojekt an der TUM?
Das erste Projekt ist bereits angelaufen: Im Dezember letzten Jahres haben wir eine wichtige Forschungskooperation mit der Bosch-Forschung auf dem Gebiet der zukünftigen Leistungselektronik vereinbart. Bei der Forschung geht es um Ladegeräte für Elektrofahrzeuge, die wir "Onboard-Ladegeräte" nennen. Die Hauptidee ist, diese effizienter zu machen und das Volumen des Ladegeräts im Auto auf mindestens die Hälfte dessen zu reduzieren, was in der Automobilindustrie derzeit Standard ist. Der Schlüssel liegt darin, die Menge an Material wie Rohstoffen und Komponenten zu reduzieren, ohne die Funktionalität zu beeinträchtigen. Das ist einer der Forschungsschwerpunkte an unserem Lehrstuhl: Wie können wir nachhaltiger sein, indem wir weniger Material für die gleiche Aufgabe (Energieumwandlung auf elektronischer Basis) benötigen?
Das andere Ziel ist, keine Energie zu verschwenden. Wie konstruiert man diese Art von Umrichtersystemen auf sehr effiziente Weise? Das sind denke ich die beiden Hauptziele unserer Forschung. Wir forschen nicht nur für Elektrofahrzeuge oder andere Anwendungen wie erneuerbare Energien. Für photovoltaische Solaranwendungen braucht man zum Beispiel auch elektronische Schnittstellen zwischen den Solarmodulen und dem Stromnetz. Auch auf diese Schnittstellen liegen im Fokus unserer Forschung. Dort geht es auch darum: Wie können wir die gesamte Energie, die uns die Solarmodule liefern, nutzen und in das Netz einspeisen, ohne dass sie bei der Umwandlung verloren geht, und gleichzeitig netzfreundlich arbeiten?
Diese beiden Beispiele sind heute äußerst bedeutsam, denn wir leben in einer Gesellschaft, die sehr viel Energie benötigt. Wir werden nur dann nachhaltig leben können, wenn wir weniger Energie verschwenden und neue Energiesysteme integrieren. Und bei all diesen neuen Systemen - Wind, Sonne, Elektrofahrzeuge - sind elektronische Schnittstellen nötig. Wir erkennen gerade, dass diese elektronischen Schnittstellen ebenfalls Energie verschwenden. Sie beanspruchen Platz, sie verbrauchen Rohstoffe. Durch die Pandemie hat sich eine große logistische Krise bei elektronischen Komponenten aufgetan. Wenn weniger Komponenten benötigt würden, wären wir besser dran, weil wir nicht so viele Dinge transportieren müssten.
ED: Auf welche Veränderung hoffen Sie in der Zukunft?
Alles ist miteinander verknüpft. Eine der Hauptrichtungen, in die ich unsere Forschung treiben möchte, ist die Verwendung von weniger Material. Wir forschen an Elektroautos, aber vielleicht sind sie nicht die optimale Lösung? Ich denke, das ist der wichtigste Punkt, worauf wir achten sollten: insgesamt weniger Ressourcen verbrauchen. Das ist die Veränderung, die ich mir wünsche.
Link zum Lehrstuhl für Hochleistungs-Umrichtersysteme:
https://www.epe.ed.tum.de/hlu/startseite/