Interview: Cornelia Freund
ED: Sebastian, was war deine Rolle bei der COP28?
Sebastian Clark Koth: Seit ein paar Jahren schon sind wir als Lehrstuhl in ausgiebigem Austausch mit der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen - DGNB e.V. (DGNB) über die Absurdität des Bausektors. Dabei geht es uns vor allem darum, zu hinterfragen, wie komplex und technologiegetrieben sich der Bausektor entwickelt hat. Effizienz ist wichtig, aber bevor wir unzählige technische "Lösungen" präsentieren, müssen wir grundsätzlich hinterfragen, warum die moderne Architektur überhaupt so viele Problemstellen aufweist. Wir sind davon überzeugt, dass Architektur selbst der beste Hebel dafür ist, das Near-Zero-Emissionsziel des Bausektors zu erreichen. Das heißt, großteils wieder klimatisch angepasst und lokal zu bauen. Es heißt aber auch, die gebaute Welt nicht als Spekulationsobjekt zu betrachten, sondern als Wohnraum, Arbeitsstätte und sozialen Ort zu erkennen, in dem wir das Leben von echten Menschen maßgeblich bestimmen. Diese Verantwortung muss bereits im frühen Entwurfsstadium forciert werden - sowohl im Neubau als auch in der Sanierung des Bestands. Dieses Jahr wurde die DGNB eingeladen, diese Positionen im Rahmen eines Ausstellungspavillons auf der COP28 in Dubai zu präsentieren, und ich durfte die DGNB und unseren Lehrstuhl vertreten.
Mit welchen Erwartungen bist du angereist?
Zu Beginn war ich sehr nervös, was mich erwarten wird. Bei so vielen Akteurinnen und Akteuren, so vielen unterschiedlichen Perspektiven, Interessen und Erfahrungen war ich mir unsicher, was die internationale Reaktion auf unsere Sichtweise sein wird und ob wir überhaupt Gehör finden. Zudem war ich alleine vor Ort, was den Druck nochmal erhöht hat, die Position der DGNB und unseres Lehrstuhls angemessen zu vertreten. Die Verantwortung war mir auf jeden Fall bewusst, auch vor Ort.
Unser Ziel war es, den öffentlichen Diskurs und internationalen Austausch anzuregen. Die nachhaltige Transformation des Bausektors ist manchmal eine scheinbar überwältigende Aufgabe. Die Chance, die ich in der COP sehe, ist der internationale Austausch von Erfahrungen und Perspektiven - und gemeinsame Ziele zu artikulieren. Meine Hoffnung war es, diese Erfahrungen, Erfolge, Wut und Hoffnungen anderer Akteur:innen zu verstehen, um diese Erkenntnisse auch auf unsere Arbeit zu übertragen. Und insgeheim hatte ich auch gehofft, Aktivist:innen wie Luisa Neubauer kennenzulernen, die ich sehr bewundere.
Bist du zufrieden mit den Ergebnissen der COP, speziell was die Zukunft der Baubranche betrifft?
Prinzipiell nein, aber wie immer ist die Antwort eigentlich viel differenzierter. Die Abschlussdokumente der COP sind in aller erster Linie ein Kompromiss. Ein Kompromiss zwischen Akteuren und Ländern, die nicht oft einer Meinung sind. Dass es überhaupt zu neuen Zielsetzungen kam, ist nüchtern betrachtet beeindruckend. Leider spiegelt die Abschlusserklärung nicht die generelle Stimmung auf der COP28 wieder. Auf dem Messegelände schien es zweifellos an der Zeit, sich von fossilen Rohstoffen zu verabschieden, in der Abschlusserklärung liest sich davon nur noch wenig.
Speziell in der Baubranche hat sich dagegen mehr getan. So zum Beispiel die Buildings Breakthrough Initiative, die 27 Länder unterschrieben haben, darunter auch Deutschland. Ziel der Initiative ist es, den Gebäudesektor zu dekarbonisieren. Erneuerbare Technologien und nachhaltige Lösungen sollen bis 2030 in allen Regionen die kostengünstigsten und attraktivsten Optionen sein. Im März 2024 wird dazu ein nächstes Treffen in Paris stattfinden, wo die zuständigen Minister:innen der Länder die Aktionspläne ausarbeiten. Auch hier wird die DGNB wieder vertreten sein, um noch mehr Druck auszuüben, denn das Ziel der Dekarbonisierung ist noch viel zu unkonkret. Mit unserem Lehrstuhl zusammen hat die DGNB hierzu auch schon Forderungen artikuliert.
Welche Eindrücke hast du mitgenommen aus Dubai?
Dass die COP28 in einem der ölreichsten Länder der Welt abgehalten wird, ist denke ich kein Zufall, und wirklich fragwürdig. Der Weg vom Messegelände der COP bis zu meinem Hotel war begleitet von Werbungen für Windkraft, außerhalb des Messegeländes habe ich jedoch kein einziges Windrad gesehen. Mein Hotelzimmer war im 29. Stock eines Glas-Hochhauses, in dem ich die Klimaanlage nicht ausschalten konnte und wahrscheinlich auch nicht gewollt hätte bei 30° Celsius Außenlufttemperatur. Auf dem Weg zum Flughafen hatte ich noch einen Zwischenstopp in der historischen Altstadt Dubais, in dem sich fast vorbildhaft zeigte, wie effektiv klimagerechte Architektur zu einem angenehmen Mikroklima führt - ganz ohne Klimaanlage.
Links:
Lehrstuhl für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Bauen
Forschungsgruppe Senselab