Appointment with... Professor Philipp Reiß
Projekte, International, Studium, Forschung |
Wie sind Sie zu dem geworden, der Sie sind?
Die Suche nach Herausforderungen und das Ausprobieren neuer Ideen hat mich schon immer begeistert. Die Erkundung des Weltraums, der Planeten und unseres Mondes birgt einzigartige wissenschaftlich-technische Herausforderungen, die sich nur disziplinübergreifend und durch Teamarbeit bewältigen lassen. Diese Kombination macht für mich einen großen Teil der Faszination Raumfahrt aus.
Über die Jahre habe ich das universitäre, wissenschaftliche Umfeld sehr zu schätzen gelernt. Um in der Weltraumexploration eine Mission erfolgreich umzusetzen, braucht es den stetigen Austausch zwischen WissenschaftlerInnen und IngenieurInnen verschiedener Disziplinen, um die meist sehr vielfältigen Problemstellungen zu lösen. Vor allem aber braucht es Durchhaltevermögen, teils über Jahrzehnte hinweg. Die dafür nötige Motivation ist für mich unter anderem, dass jede Mission einzigartige Ziele und Anforderungen mit sich bringt und auch die technischen Lösungen meistens hochspezialisiert sein müssen. Eine ebenso große Motivation ist die Tatsache, dass wir durch die Entwicklung von Weltraumtechnologien auch vieles zur Lösung unserer Probleme auf der Erde lernen und beitragen können, beispielsweise im Umgang mit Ressourcenknappheit. Nicht zuletzt ist es natürlich auch das fundamentale Streben danach, herauszufinden, was außerhalb unseres Raumschiffs Erde noch in den Weiten des Weltalls existiert, was mich zur Weltraumexploration geführt hat.
Was wird Ihr erstes Forschungsprojekt an der TUM?
Wir befassen uns im weitesten Sinne mit Ressourcen im Weltraum, dabei handelt es sich vorrangig um Gestein und Wasser in verschiedenen Erscheinungsformen. In einem unserer ersten Projekte an der TUM simulieren wir zum Beispiel die lunare Exosphäre und die Interaktionen von volatilen Stoffen mit dem Mondgestein. Wir möchten den lunaren Wasserkreislauf besser verstehen, um zukünftige Missionen zum Aufspüren von Wasser besser planen zu können und Systeme zur Gewinnung von Wasser auf dem Mond zu entwickeln. Das beinhaltet auch die Entwicklung von Instrumenten und Sensoren, mit welchen Bodenproben auf dem Mond vor Ort analysiert werden können. Hierüber könnte in den kommenden Jahren der erste direkte Nachweis von Wasser auf dem Mond erfolgen. Diese Forschung wird ergänzt durch die Untersuchung von Prozessen zur thermisch-chemischen Extraktion von Wasser aus Gestein für die Nutzbarmachung von Weltraumressourcen, der sogenannten Space Resource Utilisation.
Auf welche Veränderung hoffen Sie in der Zukunft?
Die Weltraumexploration hat in den vergangenen Jahren Auftrieb erfahren, allen voran die „Wiederentdeckung“ des Mondes als lohnenswertes Ziel. Einige sprechen von einer Renaissance der Monderkundung, andere von einem zweiten Wettlauf zum Mond. Ich würde mir wünschen, dass die Rückkehr zum Mond dieses Mal im nachhaltigen Sinne geschieht, d.h. dass wir es schaffen, eine langfristige robotische und astronautische Erkundung des Mondes zu etablieren. Das geht schlussendlich nur über die Nutzbarmachung von Weltraumressourcen, weshalb es sinnvoll wäre, wenn dieses Thema eine noch größere Rolle in den Programmen der Raumfahrtorganisationen spielen würde.
Abgesehen davon wünsche ich mir, dass wir den Impuls, der momentan durch die positive Aufbruchsstimmung in der Weltraumexploration zu spüren ist, auch an unsere Studierenden und die Gesellschaft weitergeben können.
Auf der Erde gibt es nur rund 380 kg zurückgebrachtes Mondgestein, die für Laboruntersuchungen zur Verfügung stehen. Da sich das Mondgestein teilweise ähnlich zu Vulkangestein verhält, werden für viele Untersuchungen auch terrestrische Gesteine genutzt. Das meiste echte Mondgestein stammt noch aus den Apollo-Missionen der 1970er Jahre.
Bislang hat noch keine Mission direkt Wasser auf dem Mond nachgewiesen. Da der Mond keine Atmosphäre besitzt, sublimiert das Wasser bei höheren Temperaturen schnell. In sehr kalten Regionen, beispielsweise am Boden permanent abgeschatteter Krater, kann Wasser jedoch über Milliarden von Jahren stabil existieren. Leider ist es technologisch äußerst anspruchsvoll diese Krater zu erkunden, weshalb es bisher nur satellitengestützte indirekte Messungen zu den Wasservorkommen auf dem Mond gibt.
Im Zuge der kommenden Missionen wird versucht, diese besser zu kartieren und herauszufinden, wie das Wasser auf dem Mond entstanden ist. Eine mögliche Quelle sind chemische Reaktionen zwischen dem Sauerstoff im Gestein und den Wasserstoffprotonen des Sonnenwindes. Aktuell geht man allerdings davon aus, dass die Wasservorkommen in der Vergangenheit größtenteils durch Einschläge von Asteroiden und Kometen, sowie Ausgasungsprozesse entstanden sind.
Das 2. Space-Race und effizienter Umgang mit Ressourcen im Weltraum
Genau deswegen ist das Thema Wasser auf dem Mond aus wissenschaftlicher Sicht hoch interessant. Aber auch aus ökonomischer Sicht ist das Thema vielversprechend, denn mit Wasser und Sauerstoff, das auf dem Mond gewonnen wird, könnte man beispielsweise Raumfahrzeuge vor Ort betanken. Somit könnten wertvolle Ressourcen und mit deren Abbau verbundene Emissionen auf der Erde eingespart werden. Außerdem würden Missionen zum Mond den Planeten dadurch deutlich kostengünstiger werden.
Weltraumressourcen nutzbar zu machen, wird in der Zukunft ein wichtiges Thema werden. In der Raumfahrt muss mit minimalem Materialeinsatz und maximalem Recycling gearbeitet werden, weil jeder Transport in den Weltraum, auch wenn es nur in den niedrigen Erdorbit zur International Raumstation ISS geht, mit hohen Kosten verbunden ist. Effizienter Umgang mit Ressourcen ist daher ein zentrales Thema in der Raumfahrt.
Bei dem Thema Wasser spielt deshalb beispielsweise auch die Endlichkeit der Ressource eine Rolle. Für die größerskalige Nutzung von Weltraumressourcen wäre es daher deutlich nachhaltiger, den im Gestein befindlichen Sauerstoff zu extrahieren, anstatt das im Prinzip flüchtige und begrenzt vorhandene Wasser abzubauen. Es gibt schon erste Diskussionen darüber, „Naturreservate“ auf dem Mond zu definieren, um Gegenden für die wissenschaftliche Erkundung in ihrem ursprünglichen Zustand zu bewahren.
Damit verbunden ist die Frage, wem die Weltraumressourcen eigentlich gehören? Es gibt bereits rechtliche Rahmenwerke, wie man mit Weltraumressourcen umzugehen hat, beispielsweise angelehnt an die Nutzungsbedingungen in der Antarktis. Trotzdem ist es wichtig, dass es sich für den kommerziellen Sektor auch lohnt, in die Exploration des Mondes zu investieren, weshalb es spezifischere Regeln braucht. Die Kommerzialisierung von Weltraumressourcen sollte daher gleich zu Beginn der Entwicklung eines Marktes in die richtigen Bahnen gelenkt werden, um wirklich nachhaltig zu sein.
Leben auf dem Mond?
Zwölf Menschen waren schon auf dem Mond, trotzdem ist der Mond noch nahezu unberührt. Der Mensch ist der limitierende Faktor bei Langzeitmissionen und deswegen ist es so wichtig, dass zunächst Erkenntnisse darüber gesammelt werden, wie wir über einen längeren Zeitraum im Weltraum leben können. Über die nächsten Jahrzehnte wird eine permanente Präsenz auf dem Mond angestrebt, um neue Technologien dort testen zu können. Zunächst wird man mit robotischen Missionen auf dem Mond landen, um Habitate und Anlagen aufbauen, damit der Mensch im zweiten Schritt dort einziehen und arbeiten kann. Viele Herausforderungen gibt es dafür noch zu bewältigen, sowohl auf dem Mond als auch im Mondorbit, beispielsweise den Schutz vor Strahlung und Meteoriten. Auf dem Mond könnten die Habitate in unterirdische Lavahöhlen gebaut werden, die bislang allerdings noch nicht direkt erkundet worden sind. Im Orbit und generell bei längeren Aufenthalten im Weltraum muss dieser Schutz anderweitig aufgebracht werden. Auch hier könnten wieder lokal gewonnene Weltraumressourcen zum Einsatz kommen.
Website Professur für Lunare und Planetare Explorationstechnologien