ED: Sie haben einen spannenden Beruf als Wissenschaftler in der Fernerkundung (engl.: Remote Sensing) und zeigen nebenbei Satellitenbilder der Erde mit dem Titel „Remote Sensations“ (Ferne Sensationen). Wie kamen Sie auf die Idee?
Michael Engel: Die Verbindung von Wissenschaft und Freizeit hat mich schon immer fasziniert. Angefangen im Bergsport, noch bevor ich an den Lehrstuhl kam, habe ich z.B. digitale Höhenmodelle und Luftbilder für mein Privatleben genutzt: sei es fürs Wandern, Skitourengehen oder Gleitschirmfliegen. Durch meine Arbeit in der Fernerkundung kamen diese Geodaten dann „von draußen“ auf meinen Schreibtisch. Von da an hatte ich täglich beeindruckende Daten und Bilder unseres Planeten vor Augen.
Mehr noch als wissenschaftliche Informationen verdeutlichen die Satellitenaufnahmen des Copernicus-Programms die Leistungsfähigkeit moderner Fernerkundungstechnologien – und zugleich sind sie visuelle Kunstwerke. Vor einigen Jahren habe ich dann als Feierabendbeschäftigung damit begonnen, die schönsten und charakteristischsten Satellitenaufnahmen zu kuratieren. Und so wurde aus „Wissenschaft und Freizeit“ dann „Wissenschaft und Kunst“ – beides inzwischen feste Bestandteile meines Lebens.
Sie veröffentlichen seit einigen Jahren einen Kalender und Ihre Bilder sind in einer Ausstellung zu sehen. Was treibt Sie dabei an?
Es ist mir ein Anliegen, die Schönheit und Komplexität des Systems Erde einem breiten Publikum zugänglich zu machen – aber eben nur von der Perspektive her von oben herab. Für meine Exponate verbringe ich viele Stunden damit, nach den perfekten Bildern zu suchen und eine einzigartige Perspektive auszuwählen. Und es ist jedes Mal so, dass ich vor Ehrfurcht erstarren will, wenn ich sehe, wie beeindruckend unsere Erde aus dem Weltraum aussieht. Dabei möchte ich die charakteristischsten und ästhetischsten Aspekte hervorheben, um auch auf der emotionalen Ebene das Bewusstsein für die Bedeutung eines achtsamen Monitorings unseres Planeten zu schärfen.
Es ist eine große Ehre, meine Arbeit mit den Bildern jetzt auch in einer Ausstellung mit der Öffentlichkeit teilen zu können. Der neue Kalender ist jetzt auch online verfügbar. Ich hoffe, er inspiriert viele Menschen, die faszinierende Vielfalt und Schönheit unserer Erde neu zu entdecken und vielleicht meine Ausstellung zu besuchen.
Wie wählen Sie die Bilder aus, die Sie präsentieren?
Das ist tatsächlich ein aufwendiger, kreativer Prozess. Die Rohdaten müssen zunächst verarbeitet werden, damit daraus überhaupt Bilder entstehen können. Dabei ist die Frage entscheidend: Mit welcher Wellenlänge kann ich den Planeten am besten sehen? Je nachdem, welche Details ich betonen möchte, wähle ich unterschiedliche spektrale Bereiche, auch solche, die für das menschliche Auge unsichtbar sind. Der Prozess ist spannend, weil er zeigt, wie sich wissenschaftliche Daten in Kunst verwandeln und somit die zugrundeliegenden Botschaften vermitteln lassen.
Welche Botschaften geben Sie Betrachtenden mit?
Ich teile Informationen zur Aufnahme, ordne sie aber nicht politisch ein. Es ist mir wichtig, dass sich die Betrachtenden selbst ein Bild machen. Das ist auch die Aufgabe der Fernerkundung: informieren, nicht bewerten. Jeder soll seine eigene Perspektive und Interpretation der Bilder entwickeln.
Woran forschen Sie in Ihrer Doktorarbeit?
Meine Promotion beschäftigt sich mit der Vorhersage und Analyse von Naturereignissen, zum Beispiel derzeit im Rahmen des KIMoDIs-Projekts mit Grundwasserständen und welchen Einfluss die Landwirtschaft auf diese hat. Ich fokussiere mich dabei darauf, mithilfe von Multiskalenanalysen zugehöriger Messreihen solche Phänomene zu modellieren und invers zu erklären.
Ziel meiner Forschung ist es, dadurch die „Stellschrauben“ physikalischer oder datengetriebener Modelle robuster bzw. physikalisch sinnvoller optimieren und interpretieren zu können. Und das Ganze eben auch mathematisch korrekt. Diese wissenschaftliche Genauigkeit fließt auch in meine Bildauswahl ein – ich möchte die Essenz unserer Erde auf künstlerische Weise darstellen und gleichzeitig wissenschaftlich korrekte Informationen liefern.
Neben Ihrer Forschung sind Sie auch als Tourenleiter aktiv und leiten Bergwanderungen, unter anderem für den Zentralen Hochschulsport (ZHS) der TUM. Wie passen diese Interessen zusammen?
Einen großen Teil meiner fachlichen Motivation ziehe ich aus meiner Faszination für Outdoor-Aktivitäten; am Ende hat ja alles mal damit angefangen. So ist die Erde die beste Künstlerin – ob nun von oben durch Satellitenbilder oder direkt auf ihr drauf. Durch meine Arbeit als Tourenleiter beim Deutschem Alpenverein und beim ZHS bringe ich Menschen näher an die Natur. Diese Kombination aus Wissenschaft, Kunst und direktem Erleben der Natur ist für mich die perfekte Balance.
Weiterführende Links:
Profil Michael Engel
Remote Sensations
Lehrstuhl für Methodik der Fernerkundung, Prof. Marco Körner
Studiengang Geodäsie und Geoinformation B. Sc.
Webinar Satellitengestützte Bergtourenplanung