Interview: Cornelia Freund
ED: Sie sind auf einer kleinen Insel auf den Philippinen aufgewachsen. Sie haben Umweltingenieurwesen und Physik studiert. Wie hängen Ihr beruflicher Werdegang und Ihre persönlichen Erfahrungen mit Raumfahrttechnologien zusammen? Wie sind Sie Geodatenwissenschaftlerin geworden?
Stephanie: Als Kind habe ich nachts immer in den Himmel geschaut und davon geträumt, die Sterne zu erreichen. Das mag wie ein Klischee klingen, aber ich denke, das tut jedes Kind, besonders wenn man auf einer kleinen Insel mit einem klaren Nachthimmel lebt. Und tagsüber genoss ich die unglaubliche Natur um mich herum, und mir wurde klar, dass ich von einer vielfältigen und reichen Umwelt umgeben bin. Wir haben das Meer und die Wälder, und ich hatte das Gefühl, wirklich mit der Natur verbunden zu sein. Aber mit dem Erwachsenwerden wurde mir auch klar, dass die raschen Veränderungen die natürlichen Ressourcen, die ich um mich herum habe, beeinträchtigt haben.
Allerdings kam es mir nicht in den Sinn, einen Kurs zu belegen, der mit Umweltwissenschaften zusammenhängt oder dem nahe steht. Ich belegte an der Universität angewandte Physik für meinen Bachelor-Abschluss, weil ich von einem naturwissenschaftlichen Gymnasium kam und es mich und mein Interesse an der physikalischen Welt sehr beeinflusst hat, wie z. B. das Verständnis dafür, dass die Wissenschaft in jedem einzelnen Bereich unseres Lebens wirkt. Aufgrund dieser Entscheidung machten sich meine Eltern Sorgen, ob mir ein Physikstudium etwas nützen würde, denn dort, wo ich herkomme, ist das ein ungewöhnlicher Studiengang. Sie wollten, dass ich Krankenschwester werde, aber ich war hartnäckig. Ich habe trotzdem angewandte Physik studiert und nebenbei eine Vorlesung über Umweltphysik besucht, die mich davon überzeugte, meinen Master in Umwelttechnik zu machen und Kurse über Geografische Informationssysteme (GIS) und Fernerkundung zu besuchen, wo ich etwas über Kartierung und die damit verbundene Datenanalyse lernte.
Während meines Masterstudiums arbeitete ich auch für einen Astrophysiker, der mich, obwohl er wollte, dass ich Astrophysik belege, dazu ermutigte, mich mit der Weltraumforschung und ihren Anwendungen auf der Erde zu beschäftigen. Damit schloss sich der Kreis, denn er wusste, dass ich die Erde mehr liebte als die Sterne. Schließlich belegte ich einen weiteren Masterstudiengang im Rahmen des Copernicus Master in Digital Earth Programme mit Schwerpunkt auf Geodatenwissenschaft, und der Rest ist Geschichte.
Wie Sie sehen, liefen auf meiner Reise viele Wege zusammen, aber wie man so schön sagt: Wenn man etwas will, dann tut das Universum alles, damit es geschieht. Und ich glaube fest, dass das Universum meine Grenze ist, es war nie der Himmel. Aber ich habe mich entschieden, auf die Erde zurückzukehren und zu sehen, was ich hier tun kann, weil ich weiß, dass ich hierher gehöre.
Sie wurden als eine der zehn weiblichen Führungskräfte ausgewählt, die für ihren Beitrag zu cloudbasierten Geodaten-Technologien ausgezeichnet wurden. Was fasziniert Sie an der Geodäsie?
Ich denke, es ist die Art und Weise, wie wir die Erde durch verschiedene konkrete Darstellungen präsentieren können. Zum Beispiel durch Messungen. Durch sie können wir Veränderungen im Laufe der Zeit erkennen und quantifizieren. Es ist unglaublich, dass wir in der Lage sind, dies zu tun und jeden Teil der Erde in einem kleineren Maßstab, wie ein Pixel, und in einer Perspektive zu sehen, in der wir untersuchen und verstehen können, wie die Welt funktioniert. Und mit den enormen Datenmengen, die wir erhalten, können wir auch unsere Technologien verbessern und hoffentlich Lösungen für die Probleme finden, mit denen wir derzeit konfrontiert sind.
Ich möchte einen Bezug zu meinen persönlichen Erfahrungen herstellen, denn ein Großteil meiner Motivation rührt von den Veränderungen her, die ich als Heranwachsende gesehen habe und denen ich ausgesetzt war. Ich komme aus einem der vom Klimawandel am stärksten betroffenen Länder der Welt. Wir sehen die Zahlen und den unberechenbaren Trend der Wettermuster. In diesem Jahr sind in meinem Land bereits 40 Grad Celsius erreicht worden, was verrückt, aber nicht überraschend ist. Und die Auswirkungen könnten drastisch sein, von der Landwirtschaft bis zur Zerstörung der Natur.
Ich glaube, dass ein Studium der Geodäsie mich nicht nur in die Wissenschaft, sondern auch in die wissenschaftsbasierte Politikgestaltung oder in die Wissenschaftskommunikation führen kann. Das ist es, was unser Fachgebiet so interessant macht, weil es interdisziplinär ist. Wie können wir der Öffentlichkeit vermitteln, mit welchen Umweltproblemen wir konfrontiert sind und welche wissenschaftsbasierten Lösungen wir ergreifen können, um der Menschheit und der Umwelt zu helfen? Wie können wir mit unseren Lösungen nachhaltig sein und der Öffentlichkeit helfen, den Prozess zu verstehen?
Ich weiß, das ist sehr idealistisch. Es macht mich optimistisch, aber auch nervös, denn ich bin noch Studentin. Ich hoffe, dass ich meine Forschung und meine Erfahrungen in fruchtbare Vorhaben einfließen lassen kann.
Sie promovieren derzeit am Imperial College London und an der TUM. Woran forschen Sie in Ihrer Doktorarbeit?
Die Hauptidee ist, neue Methoden zu entwickeln oder anzupassen, wie z. B. die Erforschung neuer mathematischer Methoden, die für die Modellierung von Fernerkundungsdaten verwendet werden können, um Anomalien vorherzusagen und zu erkennen. Das Projekt kombiniert die Expertise der Fernerkundung und der großen Geodaten an der TUM und der stochastischen Analyse am Imperial College. Prof. Marco Körner und Prof. Martin Werner in München sowie Prof. Almut Veraart und Prof. Dan Crisan in London betreuen mich.
Ein Bereich, mit dem wir uns beschäftigen, ist die Verwendung stochastischer Analysemethoden zur Schätzung von Werten neuer oder fehlender Daten in der Fernerkundung. Bei der Datenerfassung gibt es physikalische Faktoren, die wir nicht kontrollieren können. Wenn man zum Beispiel optische Daten mit einem Satelliten sammelt und eine große Wolke einen Teil abdeckt, werden die Daten verzerrt oder fehlen. Die Herausforderung besteht darin, neue Wege zu finden, um den nächstmöglichen Wert effizient zu ermitteln. Ein Beispiel wäre die Verwendung stochastischer Modelle, die die sich ändernden Varianzen im Raum berücksichtigen. Hier kommt also der mathematische Aspekt ins Spiel.
Was ist Ihr berufliches Ziel für die Zukunft?
Ich möchte in einer Institution arbeiten, in der ich Wissenschaft und Politik für den globalen Süden umsetzen kann. Ein tieferes Verständnis in meinem Fachgebiet und die Fähigkeit zu kommunizieren bedeuten, dass ich eine potenzielle Brücke zur Öffentlichkeit sein kann.
Die Wissenschaft sollte für die Menschen und für diejenigen, die am meisten davon profitieren können, greifbar sein. Die Wissenschaft sollte sich nicht ausschließlich auf Veröffentlichungen von wisschenschaftlichen Artikeln beschränken. Ich glaube wirklich, dass wir mehr tun können. Und ich glaube, dass wir die Menschen nur dann mobilisieren können, wenn sie die Wissenschaft verstehen, weshalb es auch zwingend notwendig ist, dass die Wissenschaft für alle zugänglich ist.
Und wir dürfen nicht vergessen, dass die meisten Forschungsgelder, die wir erhalten, von Akteur:innen des öffentlichen Sektors stammen, also muss sich ihre Investition auch auszahlen.
Sie interessieren sich nicht nur für Fernerkundung, Deep Learning (maschinelles Lernen) und Datenfusion, sondern sind auch Journalistin und Wissenschaftssprecherin. Wie kam es dazu?
Ich habe 2013 mit dem Fotojournalismus begonnen, als mich der Cheffotograf einer landesweit verbreiteten Wirtschaftszeitung bei einer Veranstaltung ansprach, bei der ich auch für einen Freund fotografierte. Er fragte mich, ob ich als Freiberuflerin für eine Zeitung arbeiten wolle, und ich sagte zu. Schließlich erfuhr die Redaktion, dass ich einen Abschluss in Physik hatte, und bat mich, es mit dem Schreiben von Wissenschaftsartikeln für die Zeitung zu versuchen. Ich kann mich noch lebhaft an den ersten Artikel erinnern, den ich schrieb. Der Redakteur gab ihn mir mit vielen Anmerkungen zurück, die mir zeigten, was ich verbessern musste. Im Laufe der Zeit versuchte ich mein Bestes, um meinen Schreibstil zu verbessern, und lernte durch Anleitung und Erfahrung. Und es ist erstaunlich, wie viel Rückmeldung man von Menschen aus allen Gesellschaftsschichten erhält, die die eigenen Artikel lesen und erkennen, dass man einen Beitrag zu ihrem wissenschaftlichen Verständnis leistet.
In der Zwischenzeit war ich in vielen Bereichen der Wissenschaftskommunikation tätig. In meinem früheren Job beim Astrophysiker war ich zum Beispiel an der Ausarbeitung der Politik für das Raumfahrtprogramm meines Landes beteiligt. Außerdem habe ich Module zur Weltraumforschung für 3- bis 5-jährige Kinder und für Schüler der Oberstufe entwickelt, die im Unterricht oder bei der Öffentlichkeitsarbeit eingesetzt wurden.
Diese Erfahrung lehrte mich Kreativität, Geduld und Verständnis. Sie hat mich auch gelehrt, dass Menschen, insbesondere Kinder, sehr empfänglich für das Lernen sind und dass ein basisorientierter Ansatz der richtige Weg ist. Das bedeutet, dass Aktivitäten entwickelt werden müssen, die alle ihre Sinne ansprechen. Außerdem sollten Materialien verwendet werden, die für sie leicht zugänglich und verfügbar sind, anstatt sich auf technische Hilfsmittel für den Unterricht zu verlassen, die sich viele Schüler auf der ganzen Welt nicht leisten können.
Die gesammelten Erfahrungen haben mir geholfen zu verstehen, warum das Lehren und Kommunizieren ein wesentlicher Bestandteil der Wissenschaft ist. Nein, wir wollen nicht, dass alle Menschen Wissenschaftler:innen werden, aber wir wollen, dass die Wissenschaft die Denkweise der Gesellschaft beeinflusst. Wir streben eine Gemeinschaft an, die neugierig ist, kritisch denkt und sich auf die Logik verlässt, um bessere Entscheidungen zu treffen.
Eines Ihrer Anliegen ist es, das Wohlergehen von Frauen, jungen Menschen und Minderheiten in diesem Bereich zu fördern und ihnen eine Stimme zu geben - ein Ziel der Inklusivität. Was ist Ihre Motivation? Welche Veränderungen wünschen Sie sich?
Wenn man sich die Statistiken anschaut, kann man sagen, dass meine Herkunft und mein Geschlecht in diesem Bereich unterrepräsentiert sind, und ich denke, dass wir noch viel tun müssen, um die derzeitige Situation in Bezug auf Vielfalt und Integration zu verbessern.
Wenn ich die Leser:innen dieses Artikels frage, welche lebende Wissenschaftlerin sie am meisten bewundern, würde vielen nicht sofort ein Name einfallen. Das liegt daran, dass die Gesellschaft den Raum für Frauen, in dem sie sprechen, gesehen und gehört werden können, weiterhin einschränkt. Und das wiederum behindert die Repräsentation. Junge Mädchen können sich nie als künftige Wissenschaftlerinnen sehen, weil es ihnen an nachvollziehbaren Vorbildern fehlt, mit denen sie sich identifizieren können und denen sie nacheifern wollen. Deshalb hoffe ich, dass ich durch die Verbindungen, denen ich angehöre, eine Plattform bieten kann, die mehr Frauen den Raum und die Sichtbarkeit gibt, die sie brauchen.
Eine weitere Stimme, die ich für dringend nötig halte, ist die von Minderheiten, insbesondere indigener Gemeinschaften. In einer der Folgen des Podcasts, den ich moderiere, habe ich mit Menschen gesprochen, die diese Minderheiten vertreten. Ihre Geschichten unterstreichen einen gemeinsamen Gedanken, nämlich die Forderung nach ihrer Einbeziehung und sinnvollen Beteiligung an der Forschung. Und das trifft insofern ins Schwarze, weil viele Gebiete, die in der Fernerkundungsforschung genutzt werden, in den Zuständigkeitsbereich indigener Gemeinschaften fallen. Wenn die wissenschaftliche Forschung voranschreitet, müssen wir auch berücksichtigen, wie wir die Grundsätze der Datensouveränität in einer Weise einbeziehen können, die zu einer rechtmäßigen Datenverwaltung und -kontrolle führt. Und ich würde mir wünschen, dass die Fernerkundungsgemeinschaft damit beginnt, einen kultursensiblen Denkprozess bei der Durchführung ihrer Forschung zu entwickeln und zu praktizieren.
Generell würde ich mir einen Kulturwandel wünschen, etwas, das transformativ ist. Es gibt eine Menge Arbeit, die wir alle leisten müssen. Ich denke, es reicht nicht aus, nur Gespräche zu führen und unsere Wahrnehmungen oder Einstellungen zu ändern, sondern es müssen auch Maßnahmen ergriffen werden. Und wir alle fangen an, indem wir Schritt für Schritt systemische Veränderungen durchführen.
Stephanie Tumampos
ist Doktorandin an der Technischen Universität München, in Zusammenarbeit mit dem Imperial College London. Sie arbeitet an der Modellierung, Vorhersage und Erkennung von Anomalien in der Dynamik der Erdoberfläche.
Die Radiant Earth Foundation (REF) hat Stephanie Tumampos als eine der 10 weiblichen Führungskräfte ausgewählt, um ihre Führungsrolle und ihren Beitrag zu Cloud-nativen Geodaten-Technologien zu würdigen.
Stephanie Tumampos ist Mitglied der Joint Academy of Doctoral Studies (JADS) der International Graduate School of Science and Engineering (IGSSE) und wird von Prof. Marco Körner und Prof. Dr. Martin Werner betreut. Ihr Projekt, MoPreAnESD, wird in Zusammenarbeit mit dem Imperial College London unter der Leitung von Prof. Almut Veraart und Prof. Dan Crisan durchgeführt.
Sie ist außerdem Leiterin der Abteilung Publicity & PR der IEEE Geoscience and Remote Sensing Society, Mitglied des IDEA- und DEIAB-Komitees sowie Moderatorin von Down to Earth: Ein Podcast für Geowissenschaftler von Geowissenschaftlern. Sie ist auch Mitglied der International Society for Digital Earth als deren Jugendbotschafterin.